Käpplerin un Kalkmännel -  Das Theaterprojekt zum Dorfjubiläum 750 Jahre Jockgrim (2015)

„Nix wie naus aus Ludowici, sonst koscht’s uns es Läwe!“

Bereits 1936 wurden aktive Kriegsvorbereitungen getroffen. Augenfälligstes Zeichen war der Beginn des Baus des Westwalls. Hunderttausende bauten am „Bollwerk gegen den Erbfeind“. Ebenfalls frühzeitig wurde ein Evakuierungsplan für die „Rote Zone“ entwickelt, der eine Zone von 20 km zur Grenze umfasste. Sie ging bis Wörth, Jockgrim befand sich gerade noch außerhalb dieses Streifens.

Am 1. September 1939, dem Tag des Einmarsches in Polen und Hitlers Kriegserklärung, mussten die Bewohner des Freimachungsgebietes innerhalb weniger Stunden die wichtigsten Sachen packen und mit Kindern, Alten und Kranken ihre Heimatorte verlassen. Vieh und Einrichtungsgegenstände mussten zurückgelassen werden.

Viele wurden in ganz anderen Regionen einquartiert, bspw. in Franken. Aber auch in Jockgrim wurden Familien aus Wörth aufgenommen.

„Na, dann kummt rei. Ihr könnt vorläufig hier bleiwen. Mein Mann und mein Sohn sind im Krieg. Mir müssen jetzt all zammehalte.“ (Aus dem Stück „Käpplerin un Kalkmännel“)

Einquartiert wurden nicht nur diese Flüchtlinge, sondern Artilleristen, Infanteristen und Westwallarbeiter.

„Johann Wilhelm Ludowici hatte nach dem Polenfeldzug (1939) auch polnische Fremdarbeiter beschäftigt, sie wurden „Sklaven“ genannt. Viele waren junge Frauen zwischen 15 und 20 Jahren. Sie bekamen offensichtlich keinen Lohn, sondern nur Kost und Logis. Sie waren im Polenheim untergebracht. Das wurde nach dem Krieg die Kantine der Ziegelei.“ (Aus einem Interview)

Am 9. August 1943 traten in der Ziegelei 108 Polinnen in einen Streik, um bessere Bekleidung und freieren Ausgang zu erlangen. Die Aufständischen kehrten unter dem Druck der Firmenleitung und der aus Rheinzabern herbeigerufenen Polizei nach zwei Stunden an ihre Arbeitsplätze zurück. Eine als Rädelsführerin ausgemachte 23-jährige Hilfsarbeiterin wurde zur Strafe nach Auschwitz verbracht und kam dort Anfang 1944 zu Tode.

Im Dezember 1944 beschäftigte die Fa. Ludowici 303 Zwangsarbeiter, davon 101 Polinnen, 126 russische Kriegsgefangene, 34 Ostarbeiter und 42 Ostarbeiterinnen.

In der Fa. Ludowici wurde zwischen 1944 und 1945 Munition hergestellt: Die Zwangsarbeiter/innen mussten Kartuschen (Hülsen für Projektile) drehen.

„Im Lager Jockgrim befand ich mich von Ende Juni 1944 bis April 1945. Ich arbeitete in der Ziegelfabrik Ludowici. Die schwersten Arbeiten wurden von den Kriegsgefangenen gemacht. Meine Lage war noch durch die Folgen der Verwundung verschlimmert: die nicht verheilenden Wunden, der Splitter im Bauch... Freie Zeit hatten wir nicht, aber immer ein Gefühl von Hunger. Und die Übermüdung bei der Arbeit erlaubte es uns nicht, uns einmal zu unterhalten. Schweigend standen wir morgens auf, schweigend gingen wir abends schlafen.“ (Der damals 18-jährige russische Kriegsgefangene Leonid Kusmitsch Anpilogow)

Am Aschermittwoch, 14. Februar 1945, flogen die Alliierten wegen der deutschen Weigerung zu kapitulieren, auch gegen Jockgrim die heftigsten aller Bombenangriffe. Ziel war in erster Linie die Fabrik, aber auch Bahngleise, auf denen Munitionszüge stehen. 70 % der Ziegelwerke wurden dabei zerstört.

„Als Kriegsende war, da war ich vier Jahre alt. Die ganze Nachbarschaft hat sich beim Fliegerangriff versammelt. Mein Opa hat immer die Leut‘ gezählt im Keller ob alle da sind. Beim letzten Angriff hat eins gefehlt. Das war meine Schwester, die war aufm Plumpsklo im Hof. Nebenan is a Bomb runter gegange oder a Granat. Dann hat‘s das Klohäusel umgeschmissen und die Tür verklemmt und die konnt‘ nicht mehr raus. Später dann hat sie sich bemerkbar mache könne. Es ist ihr aber nix passiert. Nur die Tür hat geklemmt.“ (Aus einem Interview)

Doch an anderen Stellen hatten die Menschen kein Glück: Eine Bombe fällt auch auf das „Polenheim“ und das daneben liegende neue Gebäude, in dem Russen untergebracht sind. 50 – 60 Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangene, unter ihnen eine schwangere Polin, sterben. Die Aufseher öffnen ihnen nicht die Tür, um sich selbst in Sicherheit bringen zu können.

Am 24. März 1945 marschieren in Jockgrim Franzosen als Befreier ein. Der Krieg ist beendet.

PR-Gruppe - Theaterprojekt 750 Jahre Jockgrim

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